Interview mit dem Maler und Bildhauer Jürgen Reiners

Es gibt nicht viele Maler, die nur in Aquarell malen, Jürgen Reiners ist einer von ihnen. Zusätzlich erfreut er Kunstliebhaber mit seinen Skulpturen. Wir haben uns auf den Weg nach Köln-Merheim gemacht. In dem zauberhaften Domizil von Jürgen Reiners haben wir über seine Arbeit und über seinen Lebensweg gesprochen.

Juergen_Reiners_PortraitHallo Jürgen, bereits als kleiner Junge hast du, anstatt in den Kindergarten zu gehen, lieber bei deiner Mutter im Tante-Emma-Laden auf kleine Abrissblöcke gezeichnet. Wie bist du schließlich zu deiner ersten Ausbildung als Bauzeichner gekommen?

Die Entscheidung Bauzeichner zu werden, lag eindeutig an der Möglichkeit des Zeichnens.
Für Bauen hatte ich auch schon immer Interesse. Das war für mich also die beste Möglichkeit beides in einem Beruf zu verbinden.

Nach dieser Ausbildung folgten eine Maurerlehre, Fachabitur und ein Architekturstudium. Man könnte meinen, damit wäre die Ausbildungszeit erfolgreich gemeistert. Doch du hast schließlich noch Kunst und Politik auf Lehramt studiert, um anschließend an einer Berufsschule zu unterrichten. Wieso?

Als Architekt habe ich gemerkt, dass ich noch Lust hatte, etwas anderes zu machen. Weil NRW dringend Berufsschullehrer an der Schule brauchte, habe ich die Gelegenheit genutzt, ein weiteres Studium in Kunst, Politik und Pädagogik zu absolvieren. Als Lehrer habe ich u.a.. mit Steinmetzen modelliert und gezeichnet.

Bevor es dazu kam, wie hat sich deine Malerei neben deinen Ausbildungen entwickelt?

Ich habe seit dem Studium der Architektur viel gezeichnet und dort auch mit dem
Aquarellieren angefangen. Allerdings waren das damals mehr Architekturskizzen, die ich in der Toskana gemacht habe. Im Kunststudium habe ich mich dann intensiv mit der Malerei beschäftigt.

Wie bist du auf Aquarellmalerei gekommen?

Ich habe mich damals mit dem Taoismus beschäftigt, also mit den alten chinesischen Weisheiten, mit Laotse und später mit dem Zen-Buddhismus. In der asiatischen Malerei ist die Tuschemalerei vordringlich wichtig, worüber ich von der Tuschmalerei zum Aquarell gekommen bin.

Das ist also der praktische Ansatz. Was dich schließlich zu deinen ersten Pinselstrichen motiviert?
Einerseits ist es ja so, dass man mit dem Wasser arbeitet und andererseits ist es so, dass man sagt, was ist wichtiger? Das Bild was man aufträgt oder das was als Malgrund stehen bleibt? Es gibt eine Dualität zwischen dem Farbauftrag und dem unbemalten Malgrund. Ich habe in meinen ersten Aquarellen, Motive ausgesucht, die viel Aussparungen zuließen. Die weiße Architektur der Kykladen ließ sich sehr gut durch Aussparungen darstellen.

Was fasziniert dich heute, nachdem du viele Jahre Erfahrungen gesammelt hast, an dieser Technik?

Das faszinierende am Aquarell ist…man hat ein weißes Blatt, setzt eine Farbe drauf und es lässt sich nicht korrigieren. Diese Konsequenz, die sich daraus ergibt, ist sehr reizvoll.
Es gibt kein zurück. Man kann nur sagen, ok ich gehe jetzt in die Sache rein und ich muss sehen was dabei entsteht. Das Wasser nimmt sich die Freiheit etwas mit zu malen.

Wie äußert sich das?

Ich habe bspw. ein Bild gemalt und war der Meinung, es sei fertig. Und siehe da, als es getrocknet war, gab es noch geringe Veränderungen. Der Betrachter kann später den Malprozess anhand der Wasserverläufe nachvollziehen. Das Wasser malt ein wenig mit. Ein Aquarell muss nie ganz exakt sein. Es kann Ränder und Verläufe haben. Was sehr reizvoll ist.

Warum malst du gern Gebäude?

Ganz einfach weil ich Architekt bin. Architektur ist oft funktional, d.h. Räume werden für Menschen und deren Funktionen gebaut. Diese haben eine bestimmte Gestalt. Es ist für mich interessant, wie diese Gebäude gestaltet sind.
Ich male gestaffelte Haussituationen, alte Gebäude, Leuchttürme oder auch Industriearchitektur.

Das ist eine große Bandbreite. Du hast sehr viel auf Reisen gemalt, so etwa Dörfer in der Toskana, auf den griechischen Inseln oder in Frankreich. Die Industriearchitektur haben wir ja buchstäblich vor der Nase. Was hast du da als Motive gewählt?

Ich bin schon morgens früh an Sonntagen zum Duisburger Hafen gefahren. Da war alles still und ich konnte mich hinsetzen und malen. Ich habe in Duisburg Hochöfen, im Erftkreis Kraftwerke und in Knapsack Industrieanlagen gemalt.

Ich möchte nun gern zu deinem zweiten großen Thema in der Aquarellmalerei kommen. Deine abstrakten Gemälde machen mittlerweile einen großen Teil deines Schaffens aus. Wie hat sich das entwickelt?

Die abstrakten Sachen hab ich gemacht ab ca. 1991. Ich habe damals viel in der Betragne gemalt. Die Farbigkeit der Bretagne reduziert sich auf Blau, Braun, Grün und Gelbtöne.
Diese wollte ich aufbrechen. Ich hatte Lust auf viel mehr Farbe in meinen Aquarellen, was sich bei den Bretagnelandschaften nicht anbot.

Und dann hast du die Lösung gefunden..?

Ja, dann ist der Moment gekommen, an dem ich gesagt hab, ich kann verschiedene Farbflächen kombinieren und auf verschiedenen Ebenen darstellen. Das heißt die Ebene, die hinter dem Dargestellten liegt, ist also die Leuchtende. Danach werden die anderen Ebenen drüber gesetzt. So entstehen Gitterstrukturen, die in meinen abstrakten Bildern häufig vorkommen.

Was macht für dich den Unterschied zwischen deinen Landschaften und den abstrakten Gemälden aus?

Bei Landschaften kann ich sagen, die Wiedergabe stimmt, ok das gefällt mir. Dann kann ich im Nachhinein dem Betrachter den Eindruck vermitteln, den ich hatte, während ich dieses gesehen habe. So dass man es gut nachvollziehen kann. Bei den abstrakten Sachen ist es etwas anderes.

…nämlich wie?

Hier lasse ich mich von den Farben leiten. Eine abstrakte Arbeit lässt dem Betrachter die Freiheit ein Bild je nach Stimmungslage anders wahrzunehmen und zu deuten. Ob ich eine Arbeit als fertig betrachte oder später an ihr weiterarbeite, hängt von meiner Stimmung ab. Hier ist also viel Spielraum, um das Gemälde zu entwickeln.

Neben den Bildern fertigst du Skulpturen aus Stein. Es sind immer Frauen. Warum?

Wenn ich in Stein arbeite, wähle ich meist erotische Motive. Für mich sind Frauendarstellungen erotischer als Männerdarstellungen. Die Rundungen und kugeligen Formen in Stein zu schlagen und zu formen, macht mir viel Freude. Ich finde das schön. Das kann ein Hang zur Mutter sein, mit diesen schönen Dingen, die man damit von früher verbunden hat. Mit dem warmen Bauch und dem Kuscheln.

Arbeitest du nur mit Stein?

Ja, ich finde es gut, dass das Material sehr haltbar ist. Er verwittert zwar auch, aber sehr langsam. So kann ich ihn mir lange anschauen. Was die Größe angeht…ich fertige eher handliche und transportable Skulpturen an. Was mir außerdem gefällt, ist die Tatsache, dass die Form schon drin steckt. Man muss ja nur noch etwas weghaun.

Du gibst Aquarell-Malkurse in Südfrankreich, sowie an der Sommerakademie in Hilden und bist Dozent bei Artist Travel. Warum gibst du in dieser Form dein Wissen und deine Erfahrungen weiter?

Ich finde es gut, Menschen zu bewegen etwas zu malen. Dazu zu reisen ist eine gute Verbindung. Man kann eine wunderschöne Landschaft erfahren und zwar dadurch, dass man in ihr etwas macht. Ich habe gemerkt, wenn ich mit den Leuten nach dem Kurs zurück fahre, haben sie einen anderen Blick für die Umgebung. Sie sagen plötzlich, ach kuck mal, ist das nicht ein schönes Motiv?

Wie passiert das, dass sich ihr Blick ändert?

Es ist ja so…wenn du etwas malst, dann musst du dir eine Sache genau anschauen. Du musst außerdem Merkmale und Wichtigkeiten sehen. Im alltäglichen Leben schauen wir ja meist oberflächlich über Sachen hinweg. Zum Beispiel kennt jeder den Coca Cola Schriftzug. Aber wer kann ihn aus dem Gedächtnis heraus auch malen?

Das wüsste ich jetzt spontan auch nicht…

Wenn man sich eine Sache bewusst anschaut, dann hat man mehr davon. Die Teilnehmer meiner Kurse haben am Ende zehn Bilder fertig gemalt und sind total happy, dass sie das geschafft haben. Das ist schön.

Du hast viel gemacht und erlebt in deinem bisherigen Leben. Neben deiner beruflichen Laufbahn, hast du dir dieses Domizil geschaffen und fünf Kinder großgezogen. Welche Wünsche hast du noch?

Ich will noch ein bisschen verreisen. Ich möchte nach Vietnam, Kuba und Costa Rica. Deswegen lerne ich im Moment Spanisch. - Auch um nicht einzurosten - Ich habe noch etwa 20 Jahre vor mir. Länger muss ich nicht leben, dann kann man aufhören und Platz machen, für die anderen. Natürlich möchte ich noch einiges malen. Mit 67 bist du auf der Zielgeraden. Da hast du keine großen Kurven mehr vor dir. Die sind gelaufen. Im Prinzip habe ich alles, was ich wollte.

Somit beschäftigst du dich mit der Außenwelt. Du hast Politik studiert und dieses Thema ist für dich immer wieder interessant. Wie siehst du die politische Situation im Moment in Deutschland?

Ich bin im Moment ein bisschen frustriert, wie sich die Politik entwickelt hat. Weil meiner Meinung nach in Berlin Menschen sitzen, die intellektuell ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind. Aber wir haben sie gewählt.

Was meinst du, woran liegt das?

Die Menschen kucken nicht in die Programme der Parteien. Demokratie ist immer auch eine Sache der Intelligenz und der Bildung. Wenn man an der Bildung anfängt zu sparen, dann ist die Demokratie meistens im Eimer. Wie sagte Bertold Brecht etwa so schön, „Was hilft es, wenn ich jemandem, der weder Klavier spielen, noch Noten lesen kann, die Freiheit über die Tasten gewähre? Ich muss den Leuten auch beibringen zu spielen. Dann können sie was damit machen.“

Nach diesem Schlusswort, bedanke ich mich für das interessante Gespräch!

Ilka Baum

Die Aquarellgemälde und Skulpturen von Jürgen Reiners können Sie in der Zeit vom 05.11.2011 bis zum 10.12.2011 in der Galerie-Graf-Adolf in Köln kennenlernen. Zur Ausstellungseröffnung am 05.11.2011 ist der Maler selbst anwesend. Sie haben hier die
Möglichkeit durch eine Videopräsentation oder durch ein Gespräch mit ihm, mehr über seine Arbeit zu erfahren.

Weitere Informationen:
www.atelier-reiners.de

Ausstellungsinformation: Aquarelle und Objekte von Jürgen Reiners in der Galerie-Graf-Adolf

 

Galerie-Graf-Adolf

Graf-Adolf-Str. 18-20

51065 Köln

www.galerie-graf-adolf.de

 

 


 

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