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Denkmalpfleger kämpften erbittert, aber erfolglos: Abriss des Ermelerhauses 1966 war nicht zu verhindern

LKB St2f 6 Ermelerhaus 1950Berlin – Dass die DDR-Oberen bei der Durchsetzung ihrer städtebaulichen Pläne für ihre Hauptstadt Ost-Berlin auch mit Baudenkmälern nicht zimperlich waren, bewiesen sie mehrfach. Stand der stalinistischen Architektur ein Altbau im Weg, wurde er – häufig auch aus ideologischen Gründen – einfach weggesprengt. Schön, alt, wertvoll, denkmalgeschützt? Spielte alles keine Rolle. So erging es dem 600 Jahre alten Berliner Stadtschloss, das einem Aufmarschplatz für 400.000 Menschen weichen musste. Und auch das über Jahrhunderte „schönste und reichste Bürgerhaus Berlins”, das Ermelerhaus, hatte keine Chance. Es fiel der Verbreiterung der zum Aufmarschplatz führenden Breiten Straße zum Opfer – die 400.000 Menschen mussten ja irgendwie dahinkommen…

Das nach seinem langjährigen Eigentümer benannte Ermelerhaus hat eine durchaus wechselvolle Geschichte. Nach Bombentreffern im Zweiten Weltkrieg, der Renovierung in den 1950er Jahren und dem Abriss im Jahr 1966 folgte der Wiederaufbau an einer neuen Adresse, ein paar Hundert Meter weiter südlich. Am 6. Oktober 2019 jährt sich die Wiedereröffnung am Märkischen Ufer 10-12 zum 50. Mal. Grund genug für das art’otel berlin mitte – stolzer Eigentümer und Betreiber des Gebäudes – das wertvolle Baudenkmal vom 5. bis 7. Oktober 2019 mit einer Ausstellung und Tagen der offenen Tür zu würdigen.

Baudenkmal und Publikumsmagnet – das prächtige Ermelerhaus zog die Massen an

Obwohl das Ermelerhaus den Zweiten Weltkrieg mit vergleichweise geringen Schäden überstanden hatte und ab 1950 systematisch und aufwändig für etwa eine Million Mark wieder hergestellt worden war, kamen immer wieder Gerüchte auf, wonach es abgerissen werden sollte. Dabei hatte es durchaus prominente Fürsprecher wie Walter Stengel, den langjährigen Direktor des Märkischen Museums. Er hatte das Ermelerhaus und die ausgedehnten Fabrikgebäude im hinteren Grundstücksteil 1932 übernehmen und im selben Jahr als Außenstelle seines Museums eröffnen können. In den historischen Salons waren Gemäldeausstellungen der Künstler Käthe Kollwitz und Ernst Barlach, aber auch die umfangreiche Sammlung des Kunstsammlers Alfred Cassirer gezeigt worden. Das wunderschöne Gebäude war schnell zu einem Publikumsmagneten und sein Besuch zum Pflichtprogramm für Berliner Schüler geworden.

Mit Walter Stengels Flucht in den Westen Berlins 1952 hatte das Ermelerhaus seinen bis dahin bekanntesten Verteidiger verloren. Der Museumsdirektor hatte sich bei den DDR-Kulturpolitikern untragbar gemacht, als er nach 1948 eine Glorifizierung des Marxismus-Leninismus in seinem Museumskonzept ablehnte und später lautstark gegen die Sprengung des Berliner Stadtschlosses protestierte.

Denkmalpflegerin Waltraud Volk kämpfte verzweifelt gegen den Abriss

Ähnlich lautstark war der Aufschrei der Berliner Denkmalpfleger, als das Stadtbauamt 1963 den Ermelerhaus-Abriss endgültig – und hinter dem Rücken des Denkmalamtes – beschlossen hatte. Die offenkundig wütende Denkmalpflegerin Waltraud Volk (1924-1996) schrieb am 1. August 1963 an ihren Vorgesetzten, Stadtrat Fritz Wolff: „Das Vorgehen des Stadtbauamtes ist ungesetzlich. (…) In keinem Falle kann von Seiten der Denkmalpflege die Einwilligung für den Abriss gegeben werden. (…) Wir bitten Sie laut Denkmalschutzgesetz beim Oberbürgermeister entsprechend Protest gegen den Abriss einzulegen, da keine städtebaulichen Notwendigkeiten vorliegen.”

In ihrer Argumentation, warum das Ermelerhaus unbedingt erhalten werden müsse, schreibt die Kunstwissenschaftlerin: „Das Ermelerhaus stammt aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und erhielt im 18. Jahrhundert eine wertvolle Rokoko-Ausstattung. Besonders bekannt davon ist das Treppenhaus und die Deckengemälde. Am Ende des 18. Jahrhunderts bekam die Fassade ihr heutiges Aussehen. Auch dieses Gebäude ist Berliner Geschichte. Und galt stets als das schönste und reichste Bürgerhaus der Stadt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es das einzige Gebäude, das mit seiner Inneneinrichtung noch erhalten geblieben ist. (…) Das Ermelerhaus hat eine hohe kunsthistorische Bedeutung, zumal es die einzige originale Rokoko-Ausstattung Berlins beherbergt.” Und auch einen Imageschaden für den Arbeiter- und Bauernstaat prophezeite sie ihrem Vorgesetzten: „Dem Abriss des Gebäudes wird wahrscheinlich mit internationalen Protesten begegnet werden.”

An die Stadtplaner vom Volkseigenen Betrieb Berlin-Projekt schrieb die Kunstwissenschaftlerin am 5. August 1963 nicht weniger wütend: „Mit dem vorliegenden Projekt sind wir nicht einverstanden. (…) Es ist von Seiten der Denkmalpflege nicht zu vertreten, daß der Bestand der durch den Krieg so stark reduzierten Bürgerhäuser Berlins um diese kunsthistorisch wertvollen Objekte verringert wird. Wir werden einen entsprechenden Protest gegen den Entscheid (…) an den Oberbürgermeister weiterreichen.”

„Wird das Ermelerhaus wirklich abgerissen, ist die Arbeit der Denkmalpflege sinnlos”

Wie verzweifelt Denkmalpflegerin Waltraud Volk am Ende war, zeigt auch der Schlusssatz eines anderen Schreibens: „Falls der Abriss wirklich erfolgt, liegt eine Verletzung der Denkmalschutz-Verordnung vor, so daß sich ein Präzedenzfall ergibt, der eine unmögliche Rechtssituation zur Folge hat da auf Grund dessen dann von keinem Privatmann und von keinem anderen Rechtsträger die Einhaltung der Denkmalschutzordnung gefordert werden kann, so daß die Arbeit dieses Referats sinnlos geworden ist.”

Ganz sinnlos war der Einsatz der Denkmalpfleger dann doch nicht. Abbau und Abriss des Ermelerhauses im Jahr 1966 konnten sie zwar nicht verhindern. Aber wenigstens sorgten sie dafür, dass das Haus zuvor von innen und außen vermessen, gezeichnet und fotografiert wurde. Die vor dem Abriss geborgenen Putten, Stuckteile, Deckenmalereien, Vergoldungen sowie das Treppenhaus mit dem schmiedeeisernen Geländer konnten ausgebaut, eingelagert und im Neubau am Märkischen Ufer wieder eingesetzt werden. Die Neueröffnung fand am 6. Oktober 1969 statt, anlässlich des 20. Jahrestags der Gründung der DDR am darauf folgenden Tag.

„50 Jahre Ermelerhaus am Märkischen Ufer” – das art’otel berlin mitte feiert das Jubiläum vom 5. bis 7. Oktober 2019 mit einer Ausstellung und Tagen der offenen Tür. Die schönsten Fotos und Erinnerungsstücke sollen in dieser Zeit im Ermelerhaus gezeigt werden.

Anlässlich des Ermelerhaus-Jubiläums erscheinen weitere Veröffentlichungen zur Geschichte des Hauses:

Warum das Ermelerhaus als Baudenkmal so wertvoll ist, wie es nach dem Abriss zum Wiederaufbau am Märkischen Ufer kam und wie es zur besten Luxusgaststätte der ehemaligen DDR wurde.

Quelle: www.berlinieros.de